Das sechste Monat/ der große Knall

In unserem sechsten Monat kam es dann zu dem Knall, der sich schon die letzen Wochen abgezeichnet hat. So ziemlich auf allen Eben gleichzeitig hat sich alles an Frust, und was sich sonst aufgestaut hat, entladen. Das war nicht schön, aber es hatte etwas von einem reinigenden Sommergewitter.

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Sommer ist ein gutes Stichwort, denn es war noch immer heiß und das Wetter sehr schön… Nur ich konnte es nicht wirklich genießen. In der Schwangerschaft hatte ich mir immer vorgestellt einfach jeden Tag an den See zu fahren und es mir auf dem Segelboot meiner Schwiegereltern im Hafen gemütlich zu machen. Schwimmen gehen während die Kleine schläft, und ansonsten einfach gemütlich die Seele baumeln lassen. Tja, was soll ich sagen… Wir waren tatsächlich einmal am Seegelbot. Mit Freunden zum Geburtstag meines Mannes. Meine Tochter fand es wohl ganz lustig, vor allem weil sich vier Erwachsene mehr oder weniger nur mit ihr beschäftigten und sich immer jemand fand, der gerade Zeit hatte.


Das war natürlich bei weiten nicht der Normalzustand. Die meiste Zeit war ich mir ihr alleine. So ist es nun mal, wenn man in Karenz ist und der Mann arbeitet, weil irgendwo halt auch Geld für Essen und alles Mögliche andere herkommen muss. Ich war, gelinde gesagt, genervt von der Situation. Dass sich mein Leben mit Baby ändern würde und ich meinen Alltag nach ihr ausrichten musste, damit hatte ich bereits vor der Geburt gerechnet. Das war es auch gar nicht so sehr, was mich wurmte. Mein Problem waren eher die Begleiterscheinungen. Ich hatte keine Zeit für mich. Immer war die Kleine bei mir. Natürlich liebe ich sie über alles, aber ich wollte endlich mal wieder für ein paar Stunden niemanden sehen, hören, spüren… einfach ein paar Stunden meine absolute Ruhe haben.


Während ich so mit allem haderte und langsam aber sicher sehr genervt von so ziemlich allem war, erwischte mich auch noch eine Erkältung. Ich besuchte meine Cousine, von der wir das Gewand bekamen, das ihren Söhnen nicht mehr passte. Leider war ihr Jüngster gerade krank gewesen, und offenbar noch nicht genug übern Berg um uns nicht anzustecken. Ich hatte noch Glück, mit ein paar Tagen Schnupfen war es bei mir vorbei. Nur Fit war ich halt nicht, und mich gut und ausgeglichen um meine Tochter zu kümmern, während ich mich am liebsten im Bett verkriechen wollte, war halt nicht so einfach.


Wir waren, für die die es nicht mehr wissen, zeitlich immer noch in einer Pandemie. Mein Vater ist Risikopatient und wir setzten nach wie vor alles daran, um ihn nur ja keiner Gefahr aus zu setzen. Zu dieser Zeit im Spätsommer war es leider noch nicht so einfach, sich testen zu lassen. Daher war es mir nicht möglich zu sagen, ob es eine einfache Erkältung war, oder der neue Virus, der so schön chamäleonartig gefühlt jedes Symptom hervorrufen konnte. Daher konnte ich werde meine Eltern noch meine Schwiegereltern, die wir natürlich auch nicht anstecken wollten, zur Hilfe holen. Nach einem Tag, an dem ich mehr schlecht als recht durch gekommen war, und nachdem ich eine Nacht fast nichts geschlafen hatte (und es lag nicht an meiner Tochter) hat mein Mann sich Pflegeurlaub genommen. Mit ihm zuhause konnte ich mich zumindest ein bisschen mehr ausruhen.


Nur leider war das erst der Anfang. Kaum war ich wieder so halbwegs auf den Beinen, waren meine Tochter und mein Mann krank. Und damit war es endgültig vorbei. Mich, immer noch nicht ganz fit, um Haushalt, ein krankes Baby und eine grantigen (weile kranken) Mann zu kümmern, war für meine ohnehin strapazierten Nerven dann zu viel. In einem heftigen Streit, in dem mein Mann und ich uns so ziemlich alles an den Kopf warfen was uns eingefallen ist (also weder politisch korrekte noch pädagogisch wertvolle), hat sich dann einmal alles entladen, was so seit der Geburt passiert war. Das tat weh, aber es war auch befreiend. Wir haben an diesem Abend natürlich nicht unsere ganzen Probleme gelöst. Aber wir haben uns im wahrsten Sinne des Wortes zusammengerauft. Und dann die Scherben aufgesammelt um alles wieder aufzubauen.


Die erste große Veränderung war, dass mein Mann begann, sich auch unter der Woche mehr einzubringen. Wie ich in einem früheren Kapitel mal geschrieben habe, kocht er zu hause. Das ist zwar super, und ich liebe sein Essen (was leider auch meine Waage bemerkt hat), aber es verlängert die Zeit, in der ich mehr oder weniger alleine für die Kleine zuständig bin. Daher haben wir angefangen, dass er zwischen heimkommen und kochen mit ihr spielt, während ich mal aufs Klo gehen kann oder manchmal auch Gemüse vorschneide oder was mir halt sonst so eingefallen ist. Dazu ist er mit der Kleinen auch mal alleine Spazieren gegangen und ich bin daheim geblieben.


Und eine sehr große Veränderung ist auch passiert. Ich habe wieder angefangen stundenweise zu arbeiten. Das war an sich so geplant für diese Zeit, aber wir hatten uns irgendwie überhaupt nicht darauf vorbereitet. Wie auch mein Mann, arbeite ich in einem Jugendzentrum auf Stundenbasis. Dort war ich bis zum Ende des Sommers karenziert, und begann dann wieder, mit nur zwei Stunden in der Woche, zu arbeiten. Das verschaffte mir Freiraum, stellte uns insgesamt aber vor einen ziemliche Herausforderung.


Meine Tochter wurde zu dieser Zeit noch ausschließlich gestillt. Ich versuchte es daher zunächst einmal mit Abpumpten… leider hat das überhaupt nicht funktioniert. Auf diese Weiße wirklich eine Mahlzeit für sie zu bekommen war unmöglich. Also kauften wir Baby-Milch… Leider hat sie die Milch überhaupt nicht angenommen. Schon das ansetzen der Flasche sorgte für Geschrei, wirklich trinken war da undenkbar. An der Flasche lag es nur bedingt, die nahm sie mit Muttermilch gefüllt gnadenhalber schon, wenn auch nicht begeistert. Kurz um, wir hatten keine Möglichkeit sie zu füttern, während ich nicht da war. Also versuchte ich es mit vorstillen. An sich kam sie über die etwas über zwei Stunden (mit Fahrzeiten) ohne Probleme. Nur leider war es am Abend und da konnte auch schon mal eine Mahlzeit eingeschoben werden.


Neben dem Problem des Essens zeigte sich noch ein anderes Problem sehr schnell. Meine Tochter war von der plötzlichen Zeit nur mit Papa überfordert. Beim ersten Mal hat sie fast die ganze Zeit geweint, beim zweiten Mal hat sie sich zwischendurch zwar beruhigt, aber leider nicht für lange. Alles in Allem war es ein ziemliches Desaster. Das Half natürlich auch mir nicht, da ich mich die ganze Zeit fragte, ob eh alles gut war.


Aber es wurde besser. Sie hielt sich ihre an sich gute Laune immer länger und nach dem vierten Mal Begrüßte sie mich auch nicht mehr brüllend. Ich glaube allerdings wir hätten es Stressfreier haben können, hätten wir früher angefangen mit ihr zu üben. So wurden wir alle etwas ins kalte Wasser geworfen. Dafür ist es allerdings ganz gut verlaufen.


Motorisch ging es bei meiner Tochter jetzt Schlag auf Schlag weiter. Nachdem sie das mit dem auf den Bauch drehen heraußen hatte, lernte sie schnell durch rudern auch etwas vorwärts zu kommen. Das war zwar weder zielgerichtet, noch sehr schnell, aber es reichte um ihren Radius gehörig zu erweitern. Nachdem sie, wie auch immer sie hin gekommen war, es geschafft hatte, dem Wäscheständer die Füße ab zu schrauben (also die Schutzkappen auf den Füßen) war es an der Zeit die Wohnung zu sichern.


Wir haben eine Zweizimmerwohnung, es spielt sich also so ziemlich alles im Wohn/Ess-Zimmer-Küchenbereich ab. Da alles abzusichern war ein Ding der Unmöglichkeit. Also sicherten wir stattdessen das Kind, eine Gehschule musste her. Nur, was? Wir waren sehr eingeschränkt vom Platz und es gibt eigentlich kaum Modell die man schnell und einfach immer wieder auf und abbauen kann. Also haben wir improvisiert. Wir haben eine Gehschule ohne fixen Boden (also im Grunde nur ein Zaun) gekauft und diesen an unsern rund um unsere Couch montiert. (tatsächlich an die Couch angeschraubt… die war eh nicht teuer, schon etwas alt und wird nach dem zweiten Kind getauscht, die Flecken gehen schon gar nicht mehr heraus). Von da an saßen meine Tochter und ich also zu zweit im Käfig. Zu anfangs noch viel auf der Couch, im Laufe der Zeit dann immer mehr am Boden, damit sie nicht runterfallen konnte. Um es etwas gemütlicher, haben wir noch einen Buchstaben-Teppich gekauft. Diese Schaumstoffplatten mit Buchstaben und Zahlen zum herausnehmen, die eh jeder kennt. War super zum drauf rumkugeln und auch ok zum sitzen. Damit war meine Tochter in Sicherheit, und auch unsere Einrichtung. Abends waren dann halt mein Mann und ich beim Fernsehen auf der Couch auch eingesperrt, aber das hatte auch was für sich. Bei gemeinsamen Paaraktivitäten, konnte so ein Zaun durchaus interessant werden, wenn man sich oder etwas daran fest macht.


Nachdem die Welt offenbar durch Bauchliegen nicht groß genug wurde, hat meine Tochter auch das Sitzen eingefordert. Zum Aufsetzen hat sie allerdings noch Hilfe gebraucht. Eigentlich bin ich der Meinung, sie soll etwas erst dann machen, wenn sie es auch alleine kann, aber da sie sich selbst gehalten hat, sobald sie aufrecht saß, haben ich es halbwegs ok gefunden. Meistens hat sie sich am Rücken liegend an unseren Händen hochgezogen und sich dann die Umgebung angeschaut. Ganz stabil war es zwar noch nicht, aber es schien ihr großen Spaß zu machen. Mit dem Sitzen kamen wir einer großen Veränderung näher, der Beikosteinführung. Darum wird es aber erst im nächsten Monat gehen.


Fazit über das sechste Monat: wir hätten uns viel Ärger ersparen können. Hätten wir schon vor Monaten über unsere Probleme und Sorgen des Alltags gesprochen, wären viele davon gar nicht erst so groß geworden. Auch muss ich gestehen, viele kleine Dinge habe ich einfach gar nicht wahrgenommen. Ich habe oft nicht gemerkt, was mein Mann mir abnimmt. Damit ergeben sich natürlich schnell Missverständnisse und ungute Gefühle, die gar nicht sein müssten. Mehr miteinander reden, hätte da sehr geholfen. Auch wenn wir an sich vieles ausdiskutieren, haben wir uns da wohl zu oft nicht bis zum Kern des Problems durchgearbeitet, und es damit weitergeschleppt. Vom Freiheitsdrang meiner Tochter war ich dann ein wenig überrumpelt, obwohl ja damit zu rechnen war. Manchmal vergesse wohl auch ich richtig zu planen…

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