
Schon in der Schwangerschaft, aber spätestens wenn das Baby dann da ist, bekommt man von allen Seiten her „gute Ratschläge“. Meistens sind sie ja auch wirklich gut gemeint, aber das sagt halt leider nichts über ihre Qualität aus. Dazu kommt, dass man sich als junge Mutter (oder auch als junger Vater) ohnehin die meiste Zeit die Frage stellt, ob man eh alles richtig macht. Da kann so ein Ratschlag im falschen Moment alles sein, außer hilfreich. Und wenn es in die Richtung: du gefährdest dein Baby geht, dann brennen bei mir alle Sicherungen durch.
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Ich habe mich in der Schwangerschaft an so gut wie alle mir bekannten medizinischen Vorgaben gehalten. Selbstverständlich habe ich weder geraucht noch Alkohol getrunken, habe penibelst darauf geachtet nur durchgegarte Speisen zu essen und war überhaupt extrem vorsichtig was meinen Körper betraft. Nur eines habe ich gemacht: ich bin bis zum sechsten Monat geritten. Das habe ich tatsächlich alleine so entschieden und mir keinen Augenblick darüber Gedanken gemacht, das auch nur ansatzweise mit jemandem zu besprechen. Ich kenne genug Reiterinnen die selbstverständlich in der Schwangerschaft geritten sind. Ich habe ein sehr ruhiges, verlässliches Pferd und bin geübt. Ich war auch nie alleine im Stall. Daher habe ich keine Sekunde darüber nach gedacht. Von meiner direkten Umgebung musste ich mir zum Glück nicht rechtfertigen, die haben das alle verstanden. Die etwas weitere Umgebung war da schon weniger hilfreich. Und besonders schlimm wird es, wenn man sich ins Internet begibt. In manchen Foren hat man ja mehr oder weniger das Gefühl, man würde sein Baby aktiv umbringen, wenn man auch nur in die nähe eines Pferdes geht. Dass es wahrscheinlicher war, dass ich einen Autounfall habe, als dass im Stall etwas passiert, lassen wir da jetzt mal außen vor. Zu dieser Zeit haben mich diese Ratschläge und Angstmachereien noch nicht wirklich tangiert. Mit der Geburt meiner Tochter bin ich da aber empfindlicher geworden.
Ich bin der Überzeugung, dass Babys und Kleinkinder alles wichtige in ihrem Tempo erlernen, und man da weder lenkend eingreifen kann, noch soll. Daher war für mich auch klar, dass ich meiner Tochter nicht irgendetwas versuche beizubringen. Das fing beim auf den Bauch drehen an. Ich habe sie nicht (oder fast nicht) aktiv umgedreht. Ich wusste nicht wozu. Wenn sie das wollte, würde sie es tun, und bis dahin konnte sie am Rücken ohnehin mehr erleben. Ich habe ihr auch keine Spielsachen in die Hand gegeben. Die hat sie sich, wenn sie neben ihr lagen, selbst genommen, sobald sie so weit war. Ich habe oft gehört, ich solle sie doch einmal umdrehen, sie würde doch neue Eindrücke brauchen. Abgegangen ist es ihr scheinbar nicht. Als sie dann angefangen hat sich um zu drehen, habe ich ihr auch nicht geholfen. Da habe ich auch einiges zu hören bekommen. Ich solle sie sich doch nicht so plagen lassen, und warum ich ihr nicht helfe, sie würde es ja trotzdem lernen. Ja eh, aber warum sollte ich es für sie machen, wenn sie es ohnehin lernt. Das macht für mich nur Sinn, wenn es gemacht werden muss (ich werde mein Kind anziehen bis es das selbst kann, aber das muss halt auch sein, umdrehen muss aber nicht sein). Sie hat das mit dem Umdrehen alleine gelernt ohne Probleme.
Dieses Spiel haben wir bei fast allen Meilensteinen gespielt. Wo ich ihr ein bisschen geholfen habe war sitzen, weil sie am Schoß schon frei sitzen konnte habe ich sie auch immer mal wieder so frei hingesetzt. Aber ich habe ihr nicht beim Hinsetzen geholfen. Das hat sie ganz alleine gelernt, und dabei auch gleich das Krabbeln dazu. Wenn auch zuerst einmal nur rückwärts. Das war schon recht lustig anzusehen.
Doch die „guten Ratschläge“ begannen erst so richtig, als es an die Beikost ging. Wir haben von Anfang an keinen Brei gefüttert. Das war überhaupt nicht meins und auch meine Tochter war nicht begeistert, daher haben wir Breifrei angefangen. Und da hat wirklich jeder eine Meinung, egal wie wenig jemand wirklich weiß. „Wie soll sie das den in den Mund nehmen, wenn du sie nicht fütterst?“, „ Sie wird sich verschlucken!“, „Ohne Zähne geht das nicht!“, „Aber sie spielt doch nur mit dem Essen.“ „Da wird sie doch nicht satt.“ Die Liste lässt sich beliebig verlängern. Besonders das Verschlucken war ein riesiges Thema, ist es teilweise bis heute (sie ist 1 ½). Anfangs habe ich immer geduldig erklärt wie das biologisch so ist, bei Babys, dass sie einen Würgereflex haben, dass sie intuitiv alles in den Mund nehmen und kosten, und auch, dass, wenn wir von Natur aus Brei füttern sollten, dann wohl wie anderen Tiere auch unser Essen hochwürgen würden. Irgendwann habe ich es aufgegeben und nur noch gesagt: „Sie verschluckt sich nicht mehr als an Brei, sie kann das selber in den Mund stecken, sie weiß schon wie viel sie essen möchte.“ Manche haben es irgendwann aufgegeben. Bei anderen habe ich bis heute das Gefühl, dass die Grundidee nicht verstanden wurde. Mein Vater ist so jemand, er tut sich mit dieser Form des Essens sehr schwer. Vor Allem weil es Dreck macht. Meine Tochter isst sehr gut, und je nach Gericht auch sehr ordentlich. Aber eben nicht immer, und ein bisschen etwas fällt immer herunter. Er hält den Dreck überhaupt nicht aus. Bei ihm ist es aber lustigerweise echt nur das. Da muss ich mich doch fragen: ist es das wert, wenn das Kind so aber begeistert isst und alle zufrieden sind? Dann mach ich nachher halt sauber, müsste ich nach Brei auch, wenn wir ganz ehrlich sind. Die zweite in unserem direkt Umfeld ist meine Schwiegermutter. Ich lieber sie heiß und bin sehr oft ihrer Meinung, aber beim Thema Essen trennen uns teilweise Welten. Sie konnte sehr lange nicht damit umgehen, dass unsere Tochter einfach alles hin gestellt bekommen hat und wir mal geschaut haben, wie es läuft. Oft hat sie nicht geglaubt, dass sie etwas essen kann. Und sie wollte immer gerne füttern. Mich hat das ziemlich gestört, einfach weil ich mich bevormundet und übergangen gefühlt habe. Auch, weil ich nun mal nicht füttern wollte, und meine Tochter das auch nicht lernen sollte. Sie sollte selbst essen, und dabei lernen, wie man welche Speise isst. Manchmal hat ich mir auch gedacht: „Hättest du die Suppe für sie nicht püriert, dann könnte sie die Gemüsestücke jetzt selber heraus essen, so musst du sie füttern“, und habe dann einfach nichts gesagt.
Meine Tochter hat ganz von alleine angefangen Besteck interessant zu finden und hat mit meiner Gabel Dinge aufgespießt und in den Mund gesteckt. Also auch die Soge: „Sie lernt ja nicht mit Besteck zu essen“, war vollkommen unbegründet. Ich habe es aber trotzdem nicht forciert. Bei manche Speisen bekommt sie eine Löffel oder eine Gabel (Dinge, die sich damit einfach besser essen lassen) und kann dann selbst entscheiden, ob sie das nimmt oder lieber mit den Fingern ist. Leider füttern beide Großmütter scheinbar sehr gerne, so dass sich die Kleine durchaus angewöhnt hat, jetzt darum zu bitten, damit das Essen schneller geht. Das war aus meiner Sicht nicht das Ziel der Übung. Aber ich mache es halt auch, wenn es nicht zu viel ist. Sie soll trotzdem selber essen, auch wenn es länger dauert.
Da meine Tochter schnell gehen gelernt hat, und immer frei ging, hatten wir hier keine „tollen“ Ratschläge. Ich kann aber jeden beruhigen der eine(n) Spätgeher(in) hat: der Sohn meiner Cousine ist mit 16 Monaten gegangen. Jedes Kind in seinem Tempo. Schon schwieriger ist das beim Sprechen. Meine Tochter sagt auch mit 1 ½ Jahren kein wirkliches Wort, nicht mal so halbe Wörter. Wir stehen im Moment bei Mama (allerdings zu allen, von denen sie gerade geliebt werden will) Muh (als Kuh), Quack (für alles was Ente, Huhn oder ähnliches ist), Rrrr (was Fuchs darstellt, weil ich versucht habe einen Fuchs nach zu machen) und das war´s im großen und ganzen. Die Ausbeute ist also eher gering. Jetzt lesen wir sehr viel, sie schaut die Bücher auch alleine an, es wird bei uns viel geredet, wir haben keinen Fernseher und unter tags läuft ab und zu eine Doku als Podcast. An sich also eine sprechende Umgebung. Sie brabbelt auch unendlich viel und will einem auch eindeutig etwas mitteilen. Nur sprechen tut sie halt nicht. Das hat mich an sich bisher nicht beunruhigt. Mein Bruder hat auch sehr spät gesprochen (eigentlich so richtig erst mit über zwei Jahren). Daher hat mich das Kalt gelassen. Bis ich einmal eine Tabelle gefunden habe, wonach sie eigentlich schon 10 Wörter können sollte und der Durchschnitt weit mehr kann. Da wurde ich dann schon nervös und muss mich fragen: braucht es solche Verunsicherungen wirklich? Da erklären einem alle ständig: jedes Kind ist anders, und wenn sie nicht mit einem Jahr gehen, dann macht das auch nichts, aber sprechen sollen dann plötzlich alle gleich? Vor allem habe ich das von einer Logopädin, die das im Internet verbreitet. Muss das wirklich sein? Muss man, als Expertin, jungen Eltern Angst machen, wo es dafür überhaupt keinen Grund gibt? Wie gesagt: Ich kenne genug Kinder, die erst spät gesprochen haben. Gelernt haben sie es noch alle. Und manche werten Dinge als Wort, da käme ich gar nicht darauf (meine Mutter findet das Tratrat ,für so ziemlich alles was auch nur ansatzweise wie ein Traktor aussieht, ein Wort ist. Hätte ich jetzt nicht so gewertet, schon alleine deshalb, weil es für so vieles steht und nicht mal immer gleich klingt). Lange Rede kurzer Sinn: Mache Wortmeldungen sind echt entbehrlich, um unseren Bundespräsidenten zu zitieren.
Gerade im Internet trifft man leider immer Leute, die alles besser wissen und der Meinung sind, sie müssen alles sagen: egal ob es gerade angebracht ist, oder nicht. Gerade unter Müttern ist es wohl momentan Mode, die Umgebung mit „gute gemeinten Ratschlägen“ und Verallgemeinerungen zu beglücken, die manchmal einfach nur mühsam, manchmal aber schlicht unpassend sind. Nur weil dein eigenes Kind auch mit Schlafritual nicht gut einschläft, sind sie nicht per se schlecht. Nur weil dein Sohn mit zwei Jahren noch im Reboarder vorne sitzt, gefährde ich meine Tochter im Sitz mit Fangkorb (zertifiziert, zugelassen, Testsieger beim ÖAMTC-Kindersitztest und für ihr Alter angepasst) auf dem Rücksitz nicht. Nur weil meine Tochter mit 1 ½ Jahren Weintrauben im ganzen essen darf, bin ich keine Rabenmutter weil sie sich verschlucken könnte. Ich beobachte meine Tochter, ich habe sie im Blick, ich schaue mir an was sie braucht. Und nach diesen Punkten gehe ich vor. Und was für Dich passt, muss für uns nicht passen. Und natürlich ist es umgekehrt genau so. Nur weil wir immer zu gleichen Zeit essen, muss Dein Kind das nicht auch so wollen. Nur weil meine Tochter auf der normalen Schaukel sitzen kann, muss das Dein Kind nicht auch. Wir sollten uns alle wieder ein bisschen weniger mit andern messen und andern unbedingt unsere Meinung aufzwingen wollen. Jeder will für sein Kind das Beste, und jede Familie hat für sich ein anderes „Bestes“. Solange wir dabei alle keine Gewalt (physisch und psychisch weder gegen das Kind noch gegen Erwachsene) einsetzen, bin ich dafür: leben und leben lassen. Damit wäre uns allen geholfen. Und weniger Stress wäre es wohl auch.